28.08.10

INTERVIEW: Raum zum Tanzen ist überall

Kerstin Süske über zehn Jahre Tanztheater „Mascoto“ und die Prignitz als Auftrittsort

Das Tanztheater „Mascoto“ feiert Mitte September zehnjähriges Bestehen. Axel Knopf sprach mit der künstlerischen Leiterin Kerstin Süske über zeitgenössischen Tanz.

MAZ: Mit einem dreitägigen Symposium, das den Titel „Tanz als Weg“ trägt, werden Sie den zehnten Geburtstag von „Mascoto“ feiern. Wohin soll der Weg des Tanztheaters führen?

Kerstin Süske: Wohin der Weg von „Mascoto“ führt, ist offen. Dass der Weg über den Tanz für jeden Einzelnen aber immer zu einem besseren Verständnis von sich und seinem Platz in der Welt führt, davon bin ich überzeugt. Tanz ist eine wunderbare Möglichkeit, das Leben sowohl in seiner geistigen als auch körperlichen Dimension zu erfahren. Der Tanz bringt beides zusammen. Ich bin sehr froh darüber, dass sich mir – wenn auch erst recht spät im Alter von 30 Jahren – diese Welt noch eröffnet hat. Den Weg von „Mascoto“ bestimmt der gemeinsame Wunsch aller Beteiligten, sich an einem kreativen Prozess zu beteiligen, ohne zu wissen, was am Ende dabei rauskommt. Gemeinsam stellen wir uns der Herausforderung der Bühne.

Auf der Einladung zu dem Symposium präsentieren sich Tänzerinnen auf Strohballen. Wird der nächste Aufführungsort ein Feld sein?

Süske: Sehr gerne. Der zeitgenössische Tanz braucht keine klassische Theaterbühne. Tanz kann überall stattfinden. Wir haben schon am Meer, im Wasser und an Flussläufen getanzt. Gerne würde ich zum Beispiel eine Performance in dem leerstehenden Perleberger Fernmeldeamt machen, das zu einem Geschichtsmuseum werden soll. Die Auseinandersetzung mit einem Thema findet nicht nur im Kopf, sondern auch im Körper statt.

Gibt es einen Lieblingsort, an dem Sie gerne auftreten würden?

Süske: New York, Rio, Tokio! Nein, im Ernst: Der Landschaftspark in Hoppenrade oder die ehemalige Wassermühle in Wolfshagen wären solche Traumorte.

Ist die Prignitz ein schöner Tanzort?

Süske: Absolut! Jedesmal, wenn ich durch die Region fahre, sehe ich Orte, an denen ich tanzen möchte. Das Ölmühlengelände in Wittenberge ist zum Beispiel mit den Elblandfestspielen allein weit unterfordert. In Wittenberge gibt es zudem noch zahlreiche Industriebrachen, die mich reizen würden.

Zehn Jahre „Mascoto“ – Was war für das Ensemble das bisher eindrucksvollste Erlebnis?

Süske: Vielleicht die Performance zur Einweihung der Wanderbühne in Wahrenberg an der Elbe. Wir führten das Stück „Aprés la pluie – Nach dem Regen“ auf und es schüttete tatsächlich wie aus Kannen. Ich war kurz davor, den Auftritt abzubrechen. Aber die Tänzerinnen wollten trotzdem tanzen, was bestimmt kein Vergnügen war. Es ist ein Geschenk, zu wissen, solch eine Gruppe hinter sich zu haben. Ein weiteres eindruckvolles Erlebnis war im Jahre 2008 die König-Hinz-Performance in Seddin, die wir zusammen mit anderen Künstlern bestreiten durften. Unabhängig von den Aufführungen ist es auch etwas Besonderes, mit anderen Menschen gemeinsam so einen langen Weg zu gehen. Im Laufe der Jahre haben rund 60 Personen bei „Mascoto“ mitgemacht.

Ihre Tänzerinnen sind zwischen 25 und 55 Jahre alt. Ist es bei dem großen Altersunterschied nicht schwierig, Stücke zu finden, für die sich alle begeistern können?

Süske: Wenn ein Thema im Raum steht, dann ist es erst einmal nackt. Sie können es mit einem Tierbaby vergleichen, das man sich vor der Namensgebung eine Zeit lang anschaut, um den Charakter herauszufinden. Jede Tänzerin hat einen Anteil daran, dass ein Stück so wird, wie es wird. Insofern ist die Frage nach dem Alter hinfällig.

Was ist das Besondere an dem Tanztheater?

Süske: „Mascoto“ ist ein freies Kunstprojekt, das seit zehn Jahren auf der grünen Wiese besteht und lediglich punktuell eine Förderung erhielt. Das ist beispielhaft und spricht für das Engagement der Leute. Wir leisten in der Prignitz durchaus ein wenig Pionierarbeit mit unserem zeitgenössischen Tanz. Unsere Erfahrung ist, dass sich das Kunstverständnis noch sehr an traditionelle Formen orientiert.

„Mascoto“ besteht in erster Linie aus tanzinteressierten Autodidakten, die zusammen sehr anspruchsvolle Projekte umsetzen. Stoßen Sie da nicht manchmal an Ihre Grenzen?

Süske: Was den körperlichen Spielraum betrifft, gibt es keine Grenzen. Wenn ich Tanz als Fortsetzung von Bewegung in verdichteter Form verstehe, dann ist alles offen. Es gibt Tänzer, die noch im Rollstuhl aufgetreten sind.

Im nächsten Jahr wollen Sie Antonio Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ aufführen. Kann man ein Violinenkonzert tanzen?

Süske: Wenn Musik erklingt, wird etwas in Schwung gebracht. Die Musik von Vivaldi erklingt im selben kosmischen Raum, mit dem wir als Tänzer in Kontakt treten.

Warum haben Sie sich die „Vier Jahreszeiten“ ausgesucht?

Süske: Ich finde es reizvoll, ein komplettes Stück der Musikgeschichte zu tanzen. Das ist eine ungeheure Herausforderung und zwingt zur Präzision. Wir haben mit den Proben bereits begonnen. Die Uraufführung wird im Mai 2011 im Wittenberger Kultur- und Festspielhaus ein.

Vom 10. bis 12. September wird gefeiert

Der Geburtstag des Tanztheaters „Mascoto“ wird vom 10. bis 12. September auf dem Storchenhof in Bendelin (Gemeinde Plattenburg) gefeiert. Es sind Tanzaufführungen, Workshops und Podiumsgespräche geplant.

Ein Podiumsgespräch über „Tanz als Weg“ gibt es am Freitag, 10. September, um 20 Uhr. Es richtet sich insbesondere an Eltern, Dozenten, Pädagogen und Tänzer.

Open Air treten am Sonnabend, 11. September, um 19.30 Uhr der Butoh-Tänzer und Choreograf Tadashi Endo aus Japan sowie das Tanztheater „Mascoto“ auf.

Tadashi Endo, international bekannter Butoh-Tänzer, Choreograf und Theaterregisseur, gibt von Freitag bis Sonntag, 10. bis 12. September, einen „Butoh-Ma“-Workshop.

Timo Draheim bringt am Sonnabend und Sonntag Interessierten den Break-Dance näher. Draheim tanzt in der Potsdamer Company „Oxymoron“.

Maren Witte aus Berlin will am Sonnabend mit Interessierten der Frage nachgehen, „Was suchen Künstler/Tänzer auf dem Land und was finden sie?“ Maren Witte ist Dozentin für Dramaturgie und Tanzgeschichte an der Palucca-Schule in Dresden.

Eine Anmeldung zu dem Symposium ist per Email an k.sueske@googlemail.com oder per Post an „Mascoto“, Dorfstraße-Krampfer 32, 19339 Plattenburg, möglich. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.mascoto.de. Die Gemeinde Plattenburg, die Sparkasse Prignitz und Orthopädie-Technik Scharpenberg unterstützen die Veranstaltung.

30.05.10